Was für ein Aufmarsch: Ein wirrer Lockenpaus vertieft sich am Wegesrand in ihre SMS, hinter mir tönt das Hacken-Klack-Klack einer bepelzten Miss Langbein, dann lässt eine Kunstblondine stellvertretend die Reifen ihres GTI durchdrehen, in Reitstiefeln trabt ein wippender Pferdeschwanz über die Straße und eine nicht mehr ganz so junge Mutter im Girly-Look kommt mir entgegen, die stolz ihren Nachwuchs bäuchlings vor sich herträgt. Aus einer Bar grüßt mich wenige Schritte später eine altbekannte BrüNette aus des Lütten Spielgruppe, doch ich rudere weiter durch Parfümwolken auf zwei Beinen. Beim Italiener sehe ich eine Modeinsulanerin im hautengen Top vor ihrem wahrscheinlich nicht letzten Drink des Tages hocken, davor ziehen Pflasterschwalben ihre Kreise. Bei der Bäckerei meines Herzens erstehe ich den obligaten Kafee Togo und ein Butterhörnchen, stoße auf ein kunstseidenes Blondchen mit Silberblick, lasse „Unverhofft kommt oft“ vernehmen, doch wenig begeistert wirft die Getroffene ihre heiße Mähne nach hinten und zieht grußlos davon. Vor dem E-Kauf dann der passgenaue Verleser des Tages: „Taube Säfte (Traubensäfte) zum halben Preis.“ Wie konnte es auch anders sein: Immer trifft alles auf MICH zu. Bilde ich mir jedenfalls ein. Die Menschentraube, die um einen Rentnerpaartanz entstanden ist, umschiffe ich weiträumig. Der von der Greisin getragenen Regenhaut im Leopardenlook muss ich noch länger nachsinnen, doch da fliegt schon eine Lepto in ihrem Soma an mir vorbei und hinterlässt nicht einmal einen Luftzug. An der U-Bahn versammeln sich bleiche Gesichter mit Glühstengeln um einen Ascher, aus der Rauchwolke stöckelt eine Stiefelqueen mit ihrem Steiftier an der Hand dem Eingang zu. Eine karamelbraune Inderin tritt in mein Gesichtsfeld und zwingt mich zum tiefen Durchatmen. Eine Frau wie ein Sprengsatz. Hormonschock. Zur Entlastung besuche ich das Kunstkiosk, fachsimpele mit der Besitzerin über die Wandzeichnung von Horst Janssen und kaufe zur Feier des Tages meiner Liebsten einen Ring in Form eines Tastatur-Zeichens mit der Aufschrift „Pause“: ein Aufruf zur Minuteneinkehr im Bürok(r)ampf. Frohgemut und gut unterhalten gehe ich raus, wo es sich aufklärt. Die Sonne leckt die letzten Schneereste weg. Winter adele. Und das Scherschelafamm setzt sich fort, denn schon rauscht eine Horde kesser Schulmädchen, behauptet mit buntfarbigen Pudelmützen, an mir vorüber. Eine Mutter schaut verträumten Blickes in ihren kinderlosen Buggy. Hinter ihr rollt mir Clementine mit ihrer Orangenhaut entgegen, und kurz vor meiner Wohnung treffe ich noch auf Frau C., die mir nur Gutes über meine Herzdame zu berichten weiß. Passenderweise hat sie heute Vormittag einen Vortrag über Frauenrollenbilder im Mittelalter gehalten: Ein Leben zwischen Evas Schwestern und den Bräuten Christi. Ich verabschiede mich und kehre heim, zwecks Verfertigen einer Mahlzeit beim Kochen. Später ordne ich die Notate und merke, was für ein spätpubertäres TageSexzerpt mir da unterlaufen ist. Trotzdem: stehenlassen, was einem so kommt – mein derzeitiger Mottonormalgebrauch der Sprache.
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Die hier veröffentlichten Fotos entstehen allesamt beim Spazierengehen. Sie zeigen zufällig in mein Blickfeld geratene und mit der Kamera festgehaltene Motive. Es geht mir bei diesen Augenblicksaufnahmen um eine Zwiesprache mit dem Sichtbaren, in der etwas scheinbar Vertrautes und Alltägliches ins Befremdliche oder Überraschende kippen kann. Alle Besucher sind herzlich eingeladen, ihre eigene deutende Fantasie tätig werden zu lassen und die Fotos zu kommentieren.Kategorien
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1. beim lesen deines amüsanten textes, kam mir in den sinn: meine liebste hatte sich vor längerer zeit einen ring mit dem tastatur-zeichen „delete“ erstanden, der war lange zeit für sie sehr hilfreich, wenn sie wieder einmal mit etwas nicht einverstanden war, das ich so einfach daher brummelte, zeigte sie mir den ring (nicht den vogel) und drückte dabei auf denselben ;–)
ich weiss nicht wo dieser ring abgeblieben ist … aber es ist mir so auch recht!
2. hier dreht sich zur zeit alles um die zu geringe frauenquote, bei der arbeit, im parlament, bei der besetzung von kaderstellen usw., wenn ich eine zeitung aufschlage steht da bestimmt irgend ein artikel über dieses aktuelle thema.
bei deinem tranche de vie gibt’s keine zu geringe frauenquote :–)
es wird wohl endlich zeit für den frühling, wenn ich dich so lese. das cherchez-les-femmes, das mir beim lesen auf der zunge lag, hast du mir schon aus dem mund genommen.
deine heutige lebenstranche riecht nach leben pur und deine herzdame freut sich darüber bestimmt … *lach* …