Short cuts XXXII

ErAus heiterem Himmel sitze ich mittendrin in einem Hörspiel über die Not und den Murks eines fremden Lebens, als mich auf einer Bank am Kanal ein alter Mann anspricht. Ohne dass ich Haltebojen in seinen Redestrom einwerfen kann, erfahre ich von einem Schlaganfall, der ihm vor zwei Jahren zugestoßen sei. Längere Zeit plagte ihn eine Aphasie, die er unter anderem mit Hilfe unermüdlichen Tagebuchschreibens überwunden hätte. Durch das Notieren des täglich Erlebten fand er nach und nach seine Wörter wieder, mit denen er nun bei jeder Gelegenheit auf willige und unwillige Passanten einrede, so groß sei seine Angst, sie erneut verlieren und in eine heillose Stummheit verfallen zu können. Seine Frau, wie er mir augenzwinkernd verrät, hätte dieses ihm auferlegte Schweigen so sehr genossen, dass sie jetzt, wo er es jeden Tag und selbst bei Nacht wortwörtlich breche, schon am Frühstückstisch laut über in der Ehe zulässige Formen des Knebelns nachdenke.

 

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Eine Antwort auf Short cuts XXXII

  1. walter sagt:

    Zum Glück hast Du ihm zugehört, so komme ich in den Genuss einer weiteren interessanten und amüsanten Geschichte :–)

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