Short cuts XLXI

Versunken ins eigene Elend höre ich Musik. Bittersüße Melodien dringen wie kurze Stromstöße in mich ein, begütigend, aber nicht begütigend genug. Draußen hat sich heftiger Wind erhoben. Vom Himmel fällt graues Licht. Krähen toben, Elstern flüchten krakeelend. Der angekündigte Sturm bricht los. Die Musik geht in einem Krach unter, der nichts Gutes ahnen lässt. Donner rüttelt an den Scheiben, ein Sausen hebt an, Regenschleier verwischen die Aussicht. Ängstliche, aber nicht unangenehme Erwartung erfüllt mich. Noch verschwinden die Gespenster nicht. Und so sitze ich in meinem Sessel und warte, bis das Blatt sich wendet. Ein Bild kommt mir zu Hilfe: Unter einem offenen Himmel liege ich im Gras und berühre mit meinen von Nektar verklebten Fingerspitzen einen nackten warmen Schenkel. Ich zittere vor Erregung und fahre meine Einbildungskraft runter. Ein heller Blitz schlägt in der Nähe ein, der Knall folgt sofort und erschüttert den Boden unter meinen Füßen. Dann lassen die Böen nach, der Wind schwenkt um und bläst das Unwetter weg. Schon sehe ich den Mond, drachengleich schwebt er zwischen den abziehenden Wolkenfetzen. Alles ist tropfnass und still, voller violetter Schatten und ortlosem Schwarz. Die Musik ist wieder zu hören. Sie ist so gut wie schön, und ich rette mich, nachdem sie verklungen ist, in den Schlaf.

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