Unverlangt eingesandt – Heimatlose Notate XI

Ich, an meiner Stelle, hätte mich auch nicht wiedererkannt

Ein Gesicht wie ein abgeerntetes Stoppelfeld

Heute habe ich wieder nur Luftbuchungen getätigt

Ich bewege mich wie ein Raubtier im Streichelzoo

Ab jetzt habe ich ein Fällzeichen auf der Stirn

Ein Mund wie ein aufgebrochenes Siegel

Ich leide an schleichender Sommerresistenz

Eine rhetorische Spannbreite von Halts Maul bis Fick Dich

Durchdringendes Sirenengeheul zwischen blattlosen Bäumen im Park

Nach Wochen der Leere wechsele ich ins Innere der Stille

Im schönen Monat Mai treffe ich einen Lockvogel und käfige sie ein

Mit wenigen Ausfallschritten erreiche ich das üppige Gesträuch, das mich überwachsen soll

Ich bin ein einsamer Schnorrer fremder Erinnerungen

Von der Decke hängen die abgeschnittenen Gesprächsfäden der gestrigen Podiumsdiskussion

Ein Charakter wie ein verregneter Ferientag

Ich gehe aufs Dach, balanciere auf dem First, lutsche einen Drops und springe auf die Wolkenkommode

Ich erkläre die Stippvisiten in toten Winkeln zur Chefsache

Nach vielen schweren Jahren voller schöner Stunden erreichte ich endlich das volle Unvermögen meines Alters

Ein erlesener Brocken Freude fällt von mir ab, als ich mein Herzblatt in der Fremde weiß

Ich bleibe ab sofort bis zu meinem ultimo momento nur noch als Gerücht präsent

Ich zuckere meine Redensarten und schon wuseln die Schleckermäuler herbei

Geschwind verfalle ich dem angestammten Zögern, um fortan nie mehr woanders zu sein

Heute sehe ich nichts, nur die Regenpfützen, die mich anhimmeln

Das Licht spricht mich an wie ein Edikt für Ungläubige

Gestern habe ich mir die letzten noch verbliebenen Jugendflausen aus den grauen Haaren gekämmt

Eine Figur wie ein verwelktes Rosenbukett

Heute machte ich im Schuppen mit einem seekranken Mädchen klar Schiff

Eine Verschleierte hütet sich vor dem offenen Geheimnis ihres Lebens

Ihr Überbiss belegt täuschend echt, dass sie ihr Gesicht schlecht kuratiert hat

Ein junges Paar plantscht in aller Öffentlichkeit im Wechselbad ihrer lauwarmen Gefühle

Das Quietschen der Schaukeln taktet die akkurate Stille

Ich zahle die Zeche nicht, löffle auch nicht die Suppe aus, mache mich vielmehr auf die Socken, um meine Hände in Unschuld zu waschen

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