Für den, den’s angeht
Just do it! liest er auf einem Shirt und wird daran erinnert, auch tätig zu werden. Doch wie und weshalb überhaupt? Ihm fällt nichts ein, und so häufen sich die Tage, an denen alles um ein My verrückt scheint, allein die Verwerfungen kommen vertraut daher. Selbst mit geschlossenen Augen gibt es für ihn nichts zu sehen. Es herrscht eine bleiche Zeit, nichts fügt sich zu einer Erzählung. Nur ein Kratzen im Hals bleibt zurück, und diese Erschöpfung vom Schminken der Bilanzen. Jenseits der Schattenlinie verdämmert er im Tran seiner Zweifel, und selbst klare Sicht verspricht keine Besserung. Seit einiger Zeit geht das nun schon so, dieses nutzlose, träge Kriechen der Stunden, Tage, Wochen, Monate. Er wird nicht mehr gebraucht und kann sich kaum noch selbst beschäftigen zwischen Aufstehen und Zubettgehen. Er hockt in seinem abgedunkelten Zimmer und liest vom Liegen in flirrender Hitze, an einem Strand, wo selbst die Wellen sich zurückhalten, so umfassend ist die Windstille.
Ja, was nur, was nur soll er anfangen? Er wacht auf, reckt sich, schaut mit verwirrtem Blick ins Zimmer, steht auf, wankt zum Fenster, wundert sich, dass die Straße noch da ist, die Autos, die Gärten, steigt in die Klamotten, fällt manchmal um, räkelt sich am Boden und versucht es wieder, staunt, wie schwer es bisweilen ist, sich aufrecht zu halten, tritt vor den Spiegel, lächelt verlegen, nässt die Haut, trocknet sich ab, macht Frühstück, tritt mit einer Tasse Kaffee auf den Balkon, sieht, wie andere ihren Weg gehen, zieht sich zurück, Tränen steigen in seinen Augen auf, aber ihm fällt nichts ein, was er anfangen könnte. Am besten ist es, rauszugehen und den anderen auf ihren Wegen zu folgen. Dann hat er nichts weiter zu tun, als diese anderen nicht aus den Augen zu verlieren, die ganze Ratlosigkeit fällt von ihm ab, während er einem anderen folgt. Ist dieser andere am Zielort angekommen, steht er da und weiß nicht weiter, dreht sich um die eigene Achse, schlägt irgendeine Richtung ein, die ihn mit etwas Glück wieder in sein Revier führt. Zuhause legt er sich aufs Sofa, eine leergelaufene Erscheinung, schaut umher, bis es dunkelt. Das alles ist lächerlich und ihm selbst unbegreiflich. Ein Murks ohnegleichen. So tastet er sich durch die eintönigen Tage, von denen nichts zurück bleibt. Was also tun? Wie dieses Versagen, dieses Überflüssig-Sein aushalten? Wie damit leben, mit dieser Resignation, mit dieser fahlen Blässe in allem? Jeden Morgen das nämliche Entsetzen, und jeden Morgen das Gleiche, was daraus folgt: NICHTS. Er verflucht seine Trägheit, der er schutzlos ausgeliefert ist.
An grausen Tagen überfällt ihn die Mutlosigkeit. Dann rennt er Hals über Kopf umher oder, was noch schlimmer ist, geht blindlings einkaufen und kommt mit hanebüchenen Nutzlosigkeiten heim. Das macht ihn noch verzweifelter und er erschreckt vor dieser ungeheuren Stumpfsinnigkeit seines Alltags. Ihm vergeht jede Hoffnung auf Besserung, sein Kopf wird leer, nichts kommt ihm in den Sinn. Er fühlt sich matt und hohl, legt sich aufs Bett und lässt die Zeit mit Nichtstun verstreichen. Am Abend wird es etwas erträglicher. Wenn die Dämmerung einsetzt und diffuses Licht die Kanten und Ecken der Dinge auflöst, sie zu farblosen Klumpen zusammenschmilzt, entfährt ihm ein vages Seufzen und er schläft ein. Am nächsten Morgen ist die Mutlosigkeit noch da, und er steht nicht auf. Weder wäscht er sich, noch nimmt er ein Frühstück zu sich. Jede Mahlzeit fällt aus. Alle Worte bleiben ungesagt. Niemand wird getroffen, das Gehen findet nicht statt. Berührungen existieren nicht. Selbst das Denken setzt aus, und kein Gefühl drängt zu seinem Ausdruck. Er kommt gar nicht richtig zu sich, bleibt einfach liegen, wie annulliert.
Aber einmal muss das Fass überlaufen, zum Beispiel in einem staubgelben Zimmer, in dem er einer nicht mehr jungen Frau dabei zusieht, wie sie sich zwischen ihren weißen unförmigen Schenkeln wäscht. Und als ihr schlaffer Körper allzu deutlich im Sonnenlicht erscheint, nimmt er Reißaus, flieht über die Treppen ins Freie, muss sich übergeben und fühlt eine Hand auf seinem Rücken. Er dreht sich um und vor ihm wankt ein Mann auf seinen dürren Beinen, der ihm durchs Haar streicht und dabei irres Zeug murmelt. Er sieht noch den dunklen Fleck auf der Hose des Mannes, dann löst er sich von ihm und stolpert weiter, am Kanal entlang, wo ein halbwüchsiges Mädchen gerade ihren Pullover lüftet. Was ist nur los, wie kommen all diese freizügigen Angebote in seinen Alltag? Hat er sich in einen Schundroman verirrt? Nein, er selbst produziert diese Bilder. Es sind Tagträumereien, die sich einstellen, während er liest. Zwischen den Zeilen des Buches, die von ganz anderen Welten handeln, rutscht er ab, verliert sich in den weißen Zwischenräumen und fabuliert sich in Gedanken etwas zusammen, etwas, das ihn von sich, von seinem Alltag befreit, der ihn ansonsten gefangen hält, in dem er strampelt, ohne vorwärts zu kommen. Das Lesen entlässt ihn daraus, für eine kurze Zeit, indem es ihn in einen Phantasten verwandelt, der in seinem Inneren Wörter und Sätze aneinanderreiht, die nichts mit ihm zu tun haben, über die er jedoch Herr ist und über die er folglich lachen oder weinen kann, je nach Belieben. Was er sich eben zusammenreimte, bestürzt ihn, denn einmal mehr war es keinen Fingerbreit anders als sein übliches Leben, wieder nur ein müdes Gezappel durch öde Erlebnisse. Die Stricke reißen nicht, er kommt nicht aus sich raus, auf ewig gefangen in seiner Haut. Und das Schlimmste ist die erbarmungslose Wucht der täglichen Wiederholung, dieses unveränderliche und unausweichliche Etcetera. Nicht das Geringste kann er dagegen tun, wie eine Zange packt es ihn und schleift ihn mit sich.
Es ist verhext. Immer diese fürchterlich drögen Tage, aus denen kein Fünkchen zu schlagen ist, an denen er dasitzt und vor sich hinglotzt, lange Stunden lang, die sich träge dahinschleppen, in denen er nichts mehr wahrnimmt und sich wie in einem fahlen Zwischenreich vorkommt. Er zittert und gleichzeitig schäumt es in seinem Innern. Unerträglich schwer wird ihm zumute bei dem Gedanken, all dem die Stirn bieten zu müssen. Er möchte es versuchen, doch schon der erste Schritt gelingt ihm nicht. Er fürchtet sich, bricht die Anstrengung ab, hofft auf den nächsten Morgen, wenn alles noch frisch und der Boden feucht ist. Dann will er aufbrechen, wie es im Buche steht, dem Licht entgegen. Mit einem Kopf voller Ideen möchte er das Leben gebührend würdigen und alle Erbärmlichkeit hinter sich lassen, morgen, wenn die Sonne aufgeht und die schalen Reste seiner heutigen verfehlten Bemühungen endlich der Vergangenheit angehören werden. Noch aber ist er in diesem Tag festgezurrt, nickt ein, wacht auf, sieht sich um, traut sich nicht, träumt von einem Boot, in dem er auf dem offenen Meer treibt, wacht auf und brabbelt vor sich hin, in der Hoffnung, die Wände würden ihm antworten, doch nichts rührt sich, außer einer Fliege, die immer wieder an die Fensterscheibe stößt. Er betrachtet sie, wird verlegen und schaut weg, da ihn ein Unbehagen erfüllt. Dann wartet er auf den Abend, und ganz langsam wird er ruhiger, die schlechten Anmutungen verwehen. Gut, dass er warten kann. Dann nimmt ihn etwas in Besitz, und solange er wartet, muss er nicht fürchten, auf sich zurückgeworfen zu werden. Es ist ein leeres Warten, ein Warten darauf, dass weiter nichts geschieht.
Er will nun endlich aufstehen und gehen, hinaus und umher, durch die Straßen ziehen hin zum nahegelegenen Park, um dort zu hören und zu sehen: das satte Grün der Bäume, Vögel, die singen, ein Specht, der klopft, Hunde, die an Büschen schnuppern und sie markieren, Jogger, die schwer atmen, alte Frauen, die schief auf Bänken sitzen und schnarchen, Passanten, die übervolle Tüten schleppen, Kinder, die in kurzen Hosen rollern, Tauben, die gurren, Amseln, die im Laub hüpfen, Paare, die sich im Zwielicht küssen, Männer mit roten Gesichtern, die nach Luft hecheln, sich an Stämmen festhalten, um nicht zu kippen, Gerüche, die durch die Luft wabern, Tiere, die im Gestrüpp rascheln. Plötzlich bricht er mitten im Gehen ab und verlässt kopflos den Park, will bloß weg, von diesem Ort und von sich, geht, da es ihm unerträglich wird, weiter zu schauen, zurück in sein stilles Zimmer, wo ihn die vier Wände aufnehmen und schweigen. Er legt sich hin, öffnet seine Hose, eine schöne Handhabung beginnt, doch die Lust an sich überdauert keine Minute und so fällt er zurück in die Kissen und murmelt sich in den Halbschlaf. Wieder einmal hat er mutig den Tag ergreifen wollen und ist in der gewohnten Vergeblichkeit gelandet. Alle Kraft ist passé. Warum also überhaupt einen Finger rühren? Warum sich gegen das Verblassen sträuben? Warum nicht umstandslos versiegen, hier und jetzt? Also, nichts tun, nichts sagen, nichts denken, dumm sein, faul und unnütz, am Ende sein, nichts fordern, keinen Trost, keine Aufmunterung, nicht schreien oder wüten, sondern sich ergeben, allein sein, den Stillstand aushalten …
Und dann?
L’anatomie de la mélancolie. D’après la photo. Et puis la dépression. J’ai pris soin de lire lentement la traduction, paragraphe après paragraphe, de ce texte. Une traduction qui m’a paru suffisamment proche du texte allemand.
Je ne puis que ressentir, tenter de ressentir ce que ressent le personnage. Ce qu’a pu ressentir l’auteur. Bien sûr, je ne puis que m’en approcher. Toutefois, le texte est suffisamment fort pour me toucher. Au point qu’une angoisse est montée en moi, une angoisse qui a fait la jonction avec mon programme pour les semaines à venir. Aurai-je le courage d’y revenir ?
I hope so, dear Francis, that you will stick to your program for the next few weeks, with all the doubts and fears that can also force your own intentions.
The fictional character in my text gives up, not only because of external circumstances, but also because of a lack of drive that perhaps reaches each of us once.
The text is written in memory of a friend who died early and who never really arrived in his life.
Thank you for your effort in trying to understand the text.
Greetings, Uwe