Auf der Suche nach nicht geheuren Vergnügen

Wenn es regnet, habe ich Lust aufs Vögeln. Ich lege meine Arbeit im Medea-Markt nieder und ziehe los, zum Meeting Point, der für diese Angelegenheit eingerichtet wurde. Dort treffe ich Gleichgesinnte oder ähnlich Verpeilte wie mich, wähle jemanden oder werde gewählt, und zusammen kehren wir in eines der Bettenlager ein. Dann treiben wir es, bis der Regen aufhört, den wir immer durch das Fenster im Auge behalten. Mit dem letzten Tropfen gibt es nichts mehr zu begreifen und die Urteile werden gefällt. Ich kehre federnden Schrittes zurück zu meiner Arbeit, so als ob nichts sie unterbrochen hätte.

Für etwas Dusseliges bin ich immer zu haben. Also ziehe ich mir Stiefel an und wate durch das sumpfige Zimmer. Ohne Zögern fällt Stück für Stück jeder Hoffnungsschimmer von mir ab. Draußen fegen Fasane über Wege, die zwischen verlassenen Rasenflächen nirgendwohin führen. Die gemalte Dämmerung erlöst mich von dem Spuk. Das Zimmer rückt in den Schatten und ich übe meine Stimmlagen. Die Zweitbesetzung der Übung kann beginnen. Wer würde da nicht Hurra schreien und jeden Verkehr eingehen, gerade mit nervösen Debütanten, denn diese haben ein Herz für Irrläufer.

Ein paar Mal versucht der Morgen anzubrechen, doch jeder Anlauf gerät ins Stocken. Vielleicht hält die Nacht nun ewig an. Kein Licht, nirgends. Nur Schwärze, die in Schwärze mündet. Und ich mittendrin. Doch für Näheres ist es noch zu früh, eine Konklusion kann nicht gezogen werden. Unterdessen wachsen die Geräusche. Erst leise, dann immer lauter und einnehmender kommen sie näher und breiten sich in mir aus, bis ich zum Resonanzkörper einer heillosen Kakophonie geworden bin. Mein Verstand setzt aus, technisches Versagen. Und endlich zuckt ein Lichtlein, erst eins, dann zwei, dann drei, und die Wartung hat ein Ende. Plötzlich Stille. Geräuschlos lasse ich die Hüllen fallen und taumle mit geschlossenen Augen in den nächstbesten Tag, der grundlos gut zu werden verspricht. Aber in Wahrheit habe ich keine Ahnung, wann dieser anbrechen wird. 

Dann betrete ich die Bühne und sprenge die Kulissen weg. Innerhalb von Minuten zerstöre ich mit einer peniblen Sturheit alles, was bisher als liebenswert erschien. Ein Endspiel, in dem ich mich und alles mir Nahestehende niedermache. Ich räume ab und auf, endgültig, bis nur noch eine widerwillige Neugier in mir sich regt: Worauf läuft diese Tabula Raserei hinaus? Woher die Lust an dem, was ich mir nicht zu tun scheue? Doch ein plausibles Ende fehlt, es gibt nur diese Übertretung, eine virile Vernichtungsenergie, von der zerstörte Hinterlassenschaften zurückbleiben, die, wie die Schlagzeilen von gestern, kaum noch etwas bewegen.

Es muss doch möglich sein, dem Wilden ohne Gewissensbisse nachzustellen, wenn es mir vor die Sinne kommt. Es ist so schön, die Witterung aufzunehmen und jede Regel vergessend alle Toleranzgrenzen zu überschreiten. Die meiste Zeit verbringe ich ohnehin im Freien und kein Klettverschluss hindert mich daran, mir meine entgegenkommenden Wünsche zu erfüllen. Am meisten liebe ich das wie für den phantasievollen Gebrauch daliegende Strauchwerk, in das ich mich verkrieche, um nichts zu tun, außer zu warten, bis jede Bodenschwere verflogen ist. In dieser mutmaßlichen Ereignislosigkeit lässt es sich lange ausharren, das vorüberziehende Wilde in Ruhe betrachten und mögliche Anfeindungen vergessen. Ich verlängere diese Augenblicke, lehne mich zurück und jede Kümmernis zerplatzt in einer Blase der Heiterkeit: das Glück der unentschuldigten Abwesenheit. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass nach und nach Verdruss sich meldet. Stimmungen schwanken und trampeln querbeet über das Ego, und schon ist die Partie versaut. Dann verheert mich der Gedanke, dass ich mir das alles nur einbilde.

*

Die Ideen für Texte kommen zu mir wie Überraschungsgäste. Ich wache morgens auf, weil ich sie höre. Dann lade ich sie ein, Platz zu nehmen und mir Gesellschaft zu leisten. Eine Phrase fällt in die Runde, dann folgt die zweite und dritte, ein Dominoeffekt stellt sich ein und lässt Sätze entstehen, bei denen ich nur derjenige bin, der sie notiert und zuletzt einen Funken Verrücktheit beimengt, die den Text gegen die Zumutungen der Wirklichkeit abdichtet.

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