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Die hier veröffentlichten Fotos entstehen allesamt beim Spazierengehen. Sie zeigen zufällig in mein Blickfeld geratene und mit der Kamera festgehaltene Motive. Es geht mir bei diesen Augenblicksaufnahmen um eine Zwiesprache mit dem Sichtbaren, in der etwas scheinbar Vertrautes und Alltägliches ins Befremdliche oder Überraschende kippen kann. Alle Besucher sind herzlich eingeladen, ihre eigene deutende Fantasie tätig werden zu lassen und die Fotos zu kommentieren.Kategorien
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Die Gewissheit der Liierten IV
Dieser Beitrag wurde unter Fotos abgelegt und mit Menschenbilder, Stadtraum verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Bei keinem der hier unter dem Titel „Die Gewissheit der Liierten“ gezeigten Fotos habe ich mich so voyeuristisch gefühlt wie bei diesem. Ich empfand es als unpassend und unziehmlich, die Kamera, von den beiden Personen unbemerkt, aufzustellen und heimlich, ohne ihr Einverständnis oder Wissen, ein Foto zu „schießen“. Es war ein räuberischer Akt. Denn: „Menschen fotografieren heißt ihnen Gewalt antun, indem man sie so sieht, wie sie selbst sich niemals sehen, indem man etwas von ihnen erfährt, was sie selbst nie erfahren; es verwandelt Menschen in Objekte, die man symbolisch besitzen kann.“ (Susan Sontag)
Das ist ein Aspekt, den vielleicht jeder Fotograf kennt. Streift es den Voyeurismus, ist es gar tatsächlich ein gewalttätiger Akt – das muss man nicht so sehen? Wir nehmen ein Bild. In gewisser Weise macht das die Abgelichteten zum Objekt. – Aber in einer sehr zurückhaltenderen, freundlicheren Weise als es auch noch geschehen könnte. Was mich am Fotografieren besonders interessiert, ist das Konservieren eines Augenblicks. Man rettet etwas über die Zeit. Vielleicht, absurder Weise, etwas, das man so sonst nicht gesehen hätte. – Und: Man hält es fest und damit offen auch für andre Deutungen, spätere Blicke, nachfolgende Zeit(en). Das kann spannnend sein. Die mehr aggressiv betonte Deutung von Sontag sehe ich nicht so sehr im Vordergrund. Trotzdem ist es natürlich ein Unterschied, ob die Fotografierten um das Abgelichtetwerden wissen und damit einverstanden sind.
Das Foto atomisiert die Realität, konserviert einen Augenblick, grenzt dabei alle anderen aus, enthüllt und verbirgt zugleich, bietet eine „Oberfläche“ zu weiteren Reflexionen, Spekulationen dem Betrachter an.
Im vorliegenden Fall konnte ich das Gespräch des Paares ansatzweise mithören. Ich erfuhr so einiges über den Berufsalltag von Behinderten, von Mobbing und verzweifeltem Aufbegehren gegen übermächtig scheinende Institutionen. Vor allem der Mann führte das Wort, die Frau neben ihm rauchte unterdessen, stimmte zu und tröstete ihn, indem sie seine Hand ergriff.
Das Foto hält einen aus der unendlichen Zahl der Augenblicke fest, einen, der eher eine melancholische Stimmung zeigt: ein Mann und eine Frau am Tisch, und beide scheinen in die eigene Gedankenwelt versunken zu sein, teilabwesend, und doch berühren sich ihre Hände – sie haben Kontakt miteinander. Darauf kam es mir an.
Aber im Moment des Abdrückens empfand ich mich als jemanden, der etwas oberflächlich festhält, dessen tiefere „Realität“ er niemals ermessen kann. Das machte mich stutzig und nährte die Skepsis gegenüber dem Apparat Kamera und dem Medium Bild, eine Skepsis, die, wie ich finde, angegracht ist, zumal bei Fotos, auf denen Menschen abgebildet sind wie in dem Quartett „Die Gewissheit der Liierten“. Aber es gilt grundsätzlich: Fotos erklären von sich aus nichts, sie fordern den Kommentar und damit das Verstehen heraus. Was ja auch gut und spannend sein kann. Meine Art des Fotografierens besteht – bisher – gerade darin, dass sie dem Betrachter die Möglichkeit bieten will, das Fremde und Rätselhafte im Bekannten und Vertrauten zu sehen. Und dazu gehört, das Sehen zu hinterfragen und das Abggebildete nicht vorschnell zu identifizieren.