Intermezzo VI

Schritt für Schritt nähert er sich fremdem Territorium. Unversehens steht er vor einem Backsteinhaus mit blutroten Klinkern. Das Namensschild an der Tür kündigt einen Puls von Trochel an. Er klopft, nichts rührt sich. Mit einem Dietrich knackt er das Schloss und stößt die Tür auf. Das Licht dringt schwach ein und er sieht Möbel wie ein unfertiges Puzzle in den Räumen stehen. Keine Geräusche sind zu hören, einzig ein Geraune von leisen Stimmen, eine Folge sinnfreier Silben, erreicht seine Ohren, und aus jeder Ritze der Dielen quillt Schmutz und Staub. Die Zimmer scheinen schon seit Jahren unbewohnt, aber woher kommen dann die Stimmen? Und was haben die Kreidestriche an den Wänden zu bedeuten, die ihm ins Auge fallen? Sind es die Stimmen der früheren Bewohner, die an den Wänden mit Strichen die Tage zählten, die sie dort verbracht haben, womöglich eingesperrt? Er kann sich keinen Reim darauf machen. Etwas Unausweichliches haftet an diesen Räumen, die ihm wie ein Archiv vorkommen: Jede Stimme, jedes Geräusch, jeder Schritt, jedes Verlangen der einstigen Bewohner scheint in ihnen durch Spuren, Zeichen, Tönen aufbewahrt. Ihn schwindelt und er muss sich loseisen. Während er durch einen dunklen Flur hinaus ins Freie läuft, sieht er lauter Striche vor seinen Augen und hört flüsternde Stimmen, bis er in seine Wohnung einkehrt und sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzt. Zurück bleibt das dunkle Gefühl, von etwas Unbekanntem angerührt worden zu sein.

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