Tranches de vie XXI

Das Muse ächzt im festen Einband, die Leinwand reißt unter dem Aufprall einer Faust, ein unbestechliches Regime beginnt, die Zeilen jagen vorbei, und ich muss sehen, wo ich bleibe, während die Ziegel fliegen lernen und das Dach sein Balkenwerk preisgibt, doch selbst der blaue Himmel und ein Sonnenschein vom Feinsten können mich nicht hindern, das Grau in den Augen derer zu bemerken, welche die mögliche Version dieses Tages bezweifeln und mich zwingen, zurück ins Glied zu treten und das Maul zu halten. Das kann ich aber nicht, es ist mir zu schwer, und schon erleichtere ich mich hemmungslos, denn was ich nun sehe, ist phänomenal: Eimer voller Blei drücken die Bretter durch, die Träger neigen sich einander zu, Tauben kreuzen die Blicke derer, die oben auf dem Gerüst nur arbeiten wollen und nun ins Schwingen der Konstruktion einstimmen müssen, um nicht vollends zu fallen. Unterdessen formen sich am Boden die anderen zu Schaulustigen und warten, was passieren wird, da auch der Wind zunimmt, doch nichts folgt, das Gerüst hält stand, verweigert das Drama, hält die Arbeiter oben, die langsam den Rhythmus finden und nun, fast schon tänzerisch, auf den unsicheren Brettern balancieren und dabei schlichte Gassenhauer trällern. „Blitze schlagen nicht in Brennnesseln ein“, so das abschließende Statement des Poliers, mit dem er das Ereignis mit einem Sprichwort in die Grenzen des allgemeinen Menschenverstands einzuhegen versucht, doch niemand glaubt ihm. Der Polier ist über derlei Firlefanz erhaben und wendet sich der kalten Venus zu, wie er seine Gattin mit zärtlichem Nachdruck und in Erinnerung an gemeinsame Mühen nennt, die eben eintrifft und ihn mit einem Schirm aus Seide empfängt, auf dem sich die Konturen eines Pumas im Sprung zu erkennen geben. Von diesem Abgang ernüchtert, treten die anderen beiseite und schauen dem Paar nach. Die Arbeiter bleiben von allem unberührt und ordnen weiter ihre Dachpfannen.

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