Einer sagt: „Als Stubenhocker bin ich glücklich. Doch sollte man sich dieses Glück im Winkel nicht allzu träge, brütend, schmorend gar im eigenen Safte vorstellen, sondern durchaus umtriebig, nach neuen Ufern Ausschau haltend, wenn auch nur im Sitzen. Die Idee eines handlungsarmen Lebens war immer schon für mich ein Faszinosum. Und so empfange ich die Freunde in meinen vier Wänden, von denen die hellsichtigsten das Drehbuch erkennen, welches ich meinem Leben unterzuschieben versuche. Ach ja, die Lust und Last der Selbststilisierung! Als unverbesserlicher Maulheld dichte ich mir einen Plüschrand um die Ereignisse meines Lebens hinzu. Aber ich weiß zu gut, dass sich das Glück im Wortversteck, immer auch einer Autosuggestion verdankt. Die Angst ist da, dass die Operation, dem Leben Glanz hinzuzufügen, misslingt. Aber ich nutze die zwielichtige Atmosphäre meines Heims, um neue Phantombilder von mir zu entwerfen. Ein Diffusor mit Vorsatz, einer, der produktiv missversteht und Nebelbänke imaginiert, wo andere im hellsten Sonnenlicht stehen, einer, der Sand im Getriebe hat und deshalb nicht richtig funktioniert, einer, der die eigene rosarote Vorstellungswelt dem hellen Schwarz des Alltags entgegenstellt.“
Einer sagt: „Ich werde immer sentimentaler. Tränen füllen die Augen, wenn mich eine Erinnerung überfällt. Dann sehe ich alles wie hinter Schleiern. Aber nicht nur Vergangenes, alles rührt mich ungeheuer an. Mein rechter großer Onkel, die Tauben auf dem Dach, der überbackene Rosenkohl von gestern, die unerfüllten Träume der Mondnächte, das trübe Wetter, die Alten, die Jungen, mein Herzschlag, die mickrigen Schneereste, die angeleinten Hunde, die kränkelnden Freunde, der Zaunkönig auf der Loggia, die Winterreise von Schubert (die ganz besonders), die hochbeinigen Beautyqueens, die Blutwurst in der Pfanne, das ungemachte Bett, die Rippen meiner Liebsten, die Staubmäuse in den Ecken, die Unruhe der ungelesenen Bücher, die Tage, wie sie fliehen … Alles das und noch viel mehr rührt mich zu Tränen. Wieso?“
Einer sagt: „Ich ging so vor mich hin und schaute nach oben, dabei hoffte ich auf einen verlässlich blauen Himmel und dachte noch, dass es schön wäre, wenn in ihm kleinere Haufenwolken treiben würden und ein milder Wind ihren Zug vorantreibe, ich schaute also voller Zuversicht und im Vollbesitz meines Sehsinns nach oben … und erschrak: Das Bild des Himmels, das sich mir zeigte, war unscharf, wie von einem Schleier verhüllt. Zunächst glaubte ich, es läge an meinen Augen, rieb sie ein wenig und blickte wieder nach oben. Aber nein, die Unschärfe blieb. Es war, als ob ein feinmaschiges Netz gespannt worden war, das nun den Himmel bedeckte. Aber warum? Was sollte diese Vermummung? Schützte die Gaze mich oder den Himmel? Und vor was eigentlich? Den ganzen Tag trottete ich mit diesen unbeantworteten Fragen umher, bis ein Autor in mir tönte: Man darf nicht alles wörtlich nehmen.“
Einer sagt: „Ein kleiner Feigling leuchtete neben der Toilette, wo die Jukebox dröhnte, ein Korn rutschte über die Theke, einer guckte böse, andere dösten, jeder wie er konnte, niemand suchte in dieser Kneipe etwas, sie waren nur da, mussten nichts erklären, hingen schweigend ab, und hofften, beim nächsten Drink ruhiger zu werden und ihre Sorgen zu vergessen. Obwohl niemand offen vom Vögeln sprach, sammelten sich doch jede Menge Erinnerungen daran in der Ecke, wo ich saß und mein Bier trank. Als es draußen dämmerte, ging ich auf die Straße, atmete die frische Luft und setzte einige Worte auf einem Stromkasten ab: Die Party beginnt, wenn / du ankommst. Dann dämmerte mir, dass ich eine Szene aus einem Film spielte, der nie gedreht wurde. Und so endete ein weiterer Tag im Vagen.“
Alle sagen: „Mundus est fabula.“